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dvogel82

Mein Arbeitsalltag bei ADI Jerusalem


Am 1.Februar kam ich (als echte, pünktliche Schweizerin) fünf Minuten vor Arbeitsbeginn (laut Vertrag 7:30 Uhr) in der Kindertagesstätte (Hebräisch "ma'on jom") an - und niemand wusste, was er mit mir, der neuen "Mitnadevet" (Volontärin) aus der Schweiz anfangen sollte. Esthi, die Sozialarbeiterin, die ich am Montag bei meinem Besuch kennengelernt hatte und bei der ich mich hätte melden sollen, war noch nicht anwesend. Ich wurde angewiesen, mich in den Wartebereich zu setzen, was ich dann auch tat und dabei die Ankunft von Kindern und Mitarbeitenden beobachten konnte. Um 7:50 Uhr kam dann die Abteilungsleiterin, begrüsste mich, zeigte mir alle Räumlichkeiten und erklärte mir die wichtigsten Regeln. Sie stellte mich einigen Kolleginnen vor, auch Anna, einer Volontärin aus Deutschland, die nach ihrem Abitur ein Volontariat bei ADI macht.


Übrigens habe ich es ab dem zweiten Tag nicht mehr so streng genommen mit der Pünktlichkeit, was hier überhaupt kein Problem ist - sie nehmen das sehr locker. Meine Freundin Mor sagte mir, ich müsse in dieser Hinsicht noch etwas "israelischer" werden!

An diesem ersten Tag wurde ich von Gruppe zu Gruppe "weitergereicht", half mit, wo es gerade nötig war und versuchte, mir einen Überblick zu verschaffen. Es wirkte alles irgendwie etwas unorganisiert und ich fand es schwierig, herauszufinden, wer welche Funktion hat und wofür zuständig ist. Anna sagte mir später, dass ihr das am Anfang auch so gegangen sei. Bei ihr kommt noch dazu, dass sie kein Hebräisch kann und es Mitarbeitende gibt, die kein Englisch können. Im Lauf des Tages merkte ich, dass mein Hebräisch besser ist, als ich es selber gedacht hätte, was sich als sehr hilfreich erwies! Ich lernte auch Bella, eine von zwei Pflegefachfrauen der Kita, kennen, die es sehr cool findet, dass ich (mit meiner Ausbildung) hier bin.


Was mich vom ersten Moment an beeindruckt hat, ist die Hingabe aller Mitarbeitenden in ihrer Arbeit mit den Kindern. Jedes Kind wird individuell wahrgenommen, betreut und gefördert und die Kinder erfahren sehr viel Liebe und Zuwendung. Ich beruhigte und fütterte Babys, spielte mit Krabbelkindern, half der Physiotherapeutin beim Gehtraining auf dem Laufband mit einem kleinen Jungen mit Di-George-Syndrom (was er gar nicht toll fand), wobei sie eine Engelsgeduld hatte mit ihm. Nach dem Mittagessen "hütete" ich dann während dem Mittagsschlaf in der Gruppe der Ältesten (2 - 3 1/2 jährig), in der ich nachher die ersten beiden Arbeitswochen fix eingeteilt blieb. Es müssen aus Sicherheitsgründen immer mindestens zwei Personen im Raum anwesend sein.


Das ist meine "Kita" (das Wort bedeutet auf Hebräisch "Klassenzimmer", nicht "Kindertagesstätte" wie bei uns), zu der noch ein kleines Bad mit WC und Wickeltischen gehört. Es ist lustig, wie wichtig es den Kindern ist, ob sie "lemala" ("oben" auf dem hohen Wickeltisch) oder "lemata" ("unten" auf dem bodennahen Wickeltisch) gewickelt werden - wehe man fragt nicht und bugsiert sie auf die falsche Wickelunterlage, das kann bittere Tränen nach sich ziehen!

Inzwischen habe ich etwas mehr Durchblick, kenne schon viele meiner Kolleginnen mit Namen und weiss ungefähr was ihre Funktion ist.

Die blaue Tür hinten links auf dem Bild ist der Eingang zu meiner Kita. Nun möchte ich euch erzählen, wie ein Tag in unserer Gruppe aussieht: 7:30 - 8:00: Die Kinder kommen an, werden begrüsst und dürfen frei spielen. Wenn alle da sind wird gemeinsam etwas gespielt, ein Bilderbuch erzählt oder am Tisch gepuzzelt. 8:30 - 9:30: Frühstückszeit! Jedes Kind holt sich einen Latz, jemand darf Plastikteller verteilen und dann gibt es Sandwichs mit Quarkaufstrich, Gemüse (Gurken, Tomaten, Peperoni), gekochte Eier und kleine Naturequärkli. Das ist eine ziemlich "dynamische" Sache weil das Essen oft nur zu einem kleineren Teil im Mund der Kinder und vermehrt auf Tisch, Stuhl,

Boden, Gesicht, Haaren und Händen landet. Zu Trinken gibt es Wasser. Wenn ein Kind fertig ist, muss es "we dai" ("fertig") sagen und trägt (mit mehr oder weniger Unterstützung) seinen Teller zur Küche, entsorgt die Essensreste im Abfall (gaanz wichtig weil es ein Treteimer ist!) und Hände und Gesicht werden gewaschen. Das ist jedes mal ein lautes, buntes Durcheinander.

9:45 - 10:15: Morgenrunde im Kreis. Erst wird ein Lied gesungen und dann jedes Kind von einer Handpuppe begrüsst und sein laminiertes Foto an die Flanellwand gehängt - "Wer ist heute in der Kita?" Ein Foto wird gezeigt. "Genau! Soundso ist heute da." Oder "Wer ist heute nicht da? Genau! Soundso ist heute krank." Danach wird, auch mit laminierten Bildkarten, der Tagesablauf bekanntgegeben.

10:15 - 11:30: In dieser Zeit finden individuelle Therapien mit Physios, Ergos, Logopädinnen und Heilpädagoginnen statt. Manchmal gibt es Rollenspiele in kleinen Gruppen oder es wird gemalt und gebastelt. Einmal pro Woche dürfen die Kinder ins Therapiebad (was aber momentan wegen der Kälte und der Hohen Energiepreise nicht immer stattfindet) und an den meisten Tagen im

"Gymbori" (sprich: "Dschimbori"),das auf dem nebenstehenden Bild zu sehen ist, herumtollen oder im Gang mit den "Bimbas" (Bobbycars und andere Fahrzeuge) fahren. Zwischendurch werden alle Kinder mal gewickelt.

11:30 - 12:15: Mittagessen, das ähnlich abläuft wie das Frühstück.

12:15 - 14:00: Mittagsschlaf. Das ist an manchen Tagen sehr friedlich, an anderen

ein ziemlicher Kampf, wenn einzelne Kinder partout nicht einschlafen wollen... 14:00 - 15:00: Aufwachen und Aufstehen - manche können es nicht erwarten, andere sind kaum wach zu kriegen. Dann gibt es Zvieri, Erdnussbutter- oder Dattelhonig- Sandwichs und Früchte und dann werden die ersten Kinder schon abgeholt.

15:00 - 15:30: Dies ist die offizielle Abholzeit, die aber nicht immer eingehalten wird. Die Spuren des Zvieris werden beseitigt, Spielsachen aufgeräumt und Tische und Stühle zusammengestellt.

Ab 15:30 werden die "übriggebliebenen" Kinder aus allen Gruppen von 2-3 Mitarbeiterinnen, die länger bleiben können, betreut und die anderen können Feierabend machen. An meinem zweiten Arbeitstag wurden Zwillingsbabys und zwei Kinder aus unserer Gruppe erst über eine Stunde zu spät abgeholt und eine Kollegin, die hätte bleiben sollen, hatte einen Termin, also bin ich dort geblieben bis die Zwillinge gegangen waren - wann die letzten beiden Kinder abgeholt wurden weiss ich nicht...

Das ist Danielle, eine meiner Kolleginnen. Sie ist Rettungssanitäterin (Paramedic) und arbeitet auch noch beim Ambulanzdienst "Magen David Adom", der Organisation, bei der Tamar (eine ehemalige C Nord Kollegin) vor einigen Jahren einen Volontärs-Einsatz gemacht hat. Ich fühle mich bei ADI sehr wohl und habe die Kinder und Kolleginnen nach kürzester Zeit ins Herz geschlossen. In den Pausen ergeben sich immer sehr interessante Gespräche mit Kolleginnen. Alle sind sehr interessiert, mehr über mich und meine Familie, die Schweiz und vieles mehr zu erfahren. Ich meinerseits möchte auch sie besser kennenlernen. Ich versuche so oft wie möglich Hebräisch zu sprechen aber manchmal müssen wir doch auf Englisch wechseln oder mit "Händen und Füssen" nachhelfen. Aber es freut mich sehr, dass ich viele Komplimente für mein Hebräisch bekomme und täglich neue Wörter dazulerne!


Eigentlich müsste ich nur von Montag bis Donnerstag arbeiten aber ich habe mich freiwillig bereit erklärt, auch ab und zu am Freitag zu arbeiten, wenn ich keine anderen Pläne habe. In Israel ist am Freitagmorgen noch Schule und auch die Kita ist bis 11:30 geöffnet. So habe ich auch gestern gearbeitet und das war gut so, denn am Morgen haben sich noch zwei (der ohnehin knapp bemessenen) Mitarbeiterinnen krank gemeldet. So kam es, dass ich während zwei Stunden mit einer Teenager-Volontärin alleine war um die 11 Kinder zu betreuen. Da meine Kollegin vorwiegend auf Delegation arbeitet, musste ich die Leitung übernehmen. Es war zwar etwas chaotisch aber wir waren ein super Team und haben uns sehr gut ergänzt. So konnte sie mir bei Verständigungsproblemen mit den Kleinen helfen und ich behielt den Überblick und sorgte wenigstens für ein gewisses Mass an Ordnung. Wir waren aber dann doch froh als die Kindergärtnerin kam, die vorher in einer anderen Gruppe gebraucht wurde.


Nächste Woche werde ich in die Gruppe der nächst jüngeren Kinder wechseln, weil das besser passt mit den Einsatztagen verschiedener Teilzeit Mitarbeitenden.


Ich bin zwar jeweils müde nach einem Arbeitstag aber es ist eine ganz andere, angenehme Müdigkeit als die "ganzheitliche Erschöpfung" der vergangenen Monate und ich habe abends noch Energie übrig.


In einem weiteren Beitrag würde ich euch gerne etwas über einzelne meiner Schützlinge erzählen, aber ich muss vorher noch abklären, in welcher Form und in welchem Ausmass mir das erlaubt ist - auch hier gilt das Berufsgeheimnis!





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